Clubhouse – ein riesengroßes Barcamp mit Radio-Note

„Bist du auch schon im Clubhouse dabei?“ – „Nein, ich habe kein iPhone.“ Dieser Dialog hat in den vergangenen Tagen vermutlich tausende Male in Deutschland stattgefunden. Seit etwa einer Woche ist die App in Deutschland verfügbar und war am 19. Januar 2021 die am meisten runtergeladene iOS-Anwendung. So oft der Dialog vorkam, so sehr spiegeln sich ihn ihm auch die zwei Seiten einer App, die wie kaum eine andere einen Hype erzeugt, der Menschen in einen Bann zieht und fast schon süchtig werden lässt. Und dem Thomas Gottschalk die Unschuld gestohlen hat, wenn wir einer These von Phillipe Wampfler folgen, die er selbst am Mittwochabend in einem CH-Talk erläutert hat.

Was ist CH eigentlich?

Aktuell ist die App iOS, also iPhone-User_innen vorbehalten, die etwa 20 Prozent der Smartphone-Nutzer_innen in Deutschland ausmachen (https://de.statista.com/themen/102/iphone/). Zudem braucht es eine Einladung, um der App beitreten zu können – ziemlich exklusiv und auf den ersten Blick alles andere als divers. Aber dazu später mehr. Ich selbst habe am 17. Januar die Einladung zu Clubhouse bekommen und dachte zunächst, es sei Spam und eines meiner Konten wäre gehackt worden. Nach ein wenig Recherche stellte sich heraus: Du bist gerade zu Clubhouse eingeladen worden. Eingeladen? Auf eine Social Media Plattform? Wieso brauche ich eine Einladung? Und was passiert dort eigentlich? Das Interesse war geweckt und ich habe mich registriert.

Clubhouse ist eine App, die ausschließlich auf auditiver Kommunikation beruht. Das Medienmagazin t3n erklärt das Prinzip in einem ausführlichen Artikel so:


Der Austausch findet in Clubhouse über sogenannte Räume statt. Jeder User kann öffentlichen Räumen beitreten oder seine eigenen eröffnen. Auch geschlossene Räume, um sich mit Freunden zu vernetzen, sind möglich. Dort gibt es dann verschiedene User-Rollen:
• Moderatoren: Sie können die Diskussion leiten, indem sie User „auf die Bühne holen“ und sie zu Sprechern machen. Umgekehrt können sie aber auch User wieder von der Bühne entfernen.
• Sprecher: Diese User können aktiv an der Diskussion teilnehmen und Wortbeiträge leisten.
• Zuhörer: Einfach nur hören, was es zu diesem Thema aktuell zu sagen gibt? Kein Problem: Jeder User, der einem Raum beitritt, kann die aktuelle Diskussion live verfolgen. Wer per Knopfdruck seine Hand hebt, signalisiert den Moderatoren, dass er ebenfalls etwas zum Gespräch beitragen will.
• Es ist auch möglich, Diskussionsrunden vorzuplanen, um möglichst viele User zu erreichen. Über die Kalenderansicht behältst du im Blick, wann Räume eröffnet werden, die für dich besonders interessant sind.

(https://t3n.de/news/hype-um-clubhouse-diese-1349947/)


Zugegeben: Ich war am Sonntag wirklich angefixt und habe mehrere Stunden in dieser App verbracht. Es hat fasziniert mich, sich einfach in beliebige Räume einschalten zu können, um einfach nur zuzuhören. Wenn es mir nicht gefällt, kann ich via „Leave quietly“ einfach in einen anderen Raum gehen. Finde ich mich im Thema wieder und möchte sogar etwas sagen, kann ich mich melden und von dem Moderator_ innen Rederecht bekommen. Cool! Ich höre also einen Live-Podcast und kann sogar mitreden. Habe ich selbst eine Idee für ein Thema oder eine bestimmte Frage, kann ich selbst einen Raum öffnen – ganz unkompliziert mit wenigen Klicks. Es war spannend zu sehen, dass zum Thema „Co-Working“ innerhalb von 30 Minuten fast 100 Hörerinnen dazukamen und sich ein zweistündiger Talk ergeben hat.
Talks kann ich im Clubhouse auch planen und wenn mir Leute folgen, dann werden sie darauf hingewiesen, welchen Raum ich gerade „bespiele.“ Jede_r User_in hat einen eigenen Kalender und findet dort die Talks von Personen aufgelistet, denen gefolgt wird. Manche sagen, das sind doch im Grunde Telefonkonferenzen und was ist daran neu? Naja, es sind spontane Telefonkonferenzen mit oft unbekannten Menschen. Ich komme in Kontakt mit anderen und kann Netzwerken, Visionen spinnen. Clubhouse kommt in eine stille Zeit, in der sich viele Menschen nach Kontakt sehnen und zwar außerhalb von Zoom, Teams, der vhs.cloud und Co. Clubhouse kommt in eine Zeit, wo TikTok, Snapchat und Instagram „normal“ geworden sind und ein Hype eine gute Chance hat. Die Zukunft wird zeigen, ob Clubhouse sich etabliert oder nach ein paar Wochen des Hypes wieder verschwindet. Ob außer Marketing und Politik dort auch andere Themen dauerhaft ihren Raum und Hörer_innen finden. Mit Thomas Gottschalk hat vor einigen Tagen der erste „große“ Promi Clubhouse entdeckt. Philippe Wampfler stellte die These auf, dass CH dadurch die Unschuld verloren hat und nun von Prominenten auf eine andere Ebene gezogen wird.

Berechtige Kritik

Neben aller Euphorie gibt es jedoch auch berechtigte Kritik an Clubhouse. Aktuell ist die App nur für iOS-User_innen verfügbar und schließt Menschen mit Android und Co. aus. Zudem brauchen User_innen eine Einladung, um reinzukommen. Exklusiv also. Eine künstlich hergestellte Knappheit, die den Hype erst richtig zum Hype macht. Zudem müssen Userinnen ihr Telefonbuch freigeben, um die App nutzen zu können. Michael Brendel hat die App genauer unter die Lupe genommen und dazu einen Blogbeitrag geschrieben:

https://spaehgypten.de/clubhouse-ein-hype-mit-datenhunger/


Welche Chance hat Clubhouse für die Erwachsenenbildung?

Die Themen „Digitale Bildung“, „Digitale Transformation“ und Co. wurden bereits mehrfach in CH diskutiert. Besonders der Bereich der weiterführenden Schulen war dabei oft sehr präsent – spannend zu sehen. Aber auch für die Erwachsenenbildung und im Kontext vhs sehe ich durchaus Chancen für CH. Als politischer Bildner ist es mir eine Freude, dort partizipative Prozesse mitzuerleben und anregen zu können. Ich könnte mir vorstellen, bestimmte Formate auch dort anzubieten, gemeinsam mit anderen Volkshochschulen. Vor ein paar Tagen haben Marco Düsterwald (vhs Münden Bad Oyenhausen), Michael Brendel (LWH Lingen) und ich (vhs Lengerich/Westfalen) diese Chancen bereits diskutiert, gemeinsam mit Gillian Hahn, die bei einer Akademie der IHK arbeitet. Die Chancen liegen also auch darin, immer wieder über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Netzwerken mit Mitarbeiter_innen andere Bildungseinrichtungen, vielleicht sogar Akquise von Kursleiterinnen. Letztlich sehe ich CH als ein großes Barcamp, das dauerhaft läuft. Ich kann spontan eine Session meiner Wahl anbieten und schauen, ob jemand ebenfalls Interesse hat und zu mir in den Raum kommt. Okay, die Doku fehlt aber auch da könnte ja ein Etherpad gemeinsam gestaltet werden. Ich fänd es spannend, das Barcamp als Format dort mal auszuprobieren und bewusst an einem Tag dort zu organisieren.


CH ist nicht divers, bekommt zu Recht Kritik ist am Ende aber auch: Eine Chance für die erweiterten Lernwelten. Ich bin gespannt auf eure Einschätzungen.

Beitrag: Jendrik Peters

Twitter: jepe92

Posted on: 22. Januar 2021, by :

2 thoughts on “Clubhouse – ein riesengroßes Barcamp mit Radio-Note

  1. Ich habe ihn auch runtergeladen, den „ganz heißen Scheiß“. Aber noch nicht ausprobiert. Deine Idee, das für die politische Bildung zu nutzen, finde ich äußerst spannend. Allerdings müsste die App dazu auch die nicht Apple-Welt zulassen, denke ich. Probieren sollten wir das.

  2. Danke, Jendrick für den spannenden Einblick.
    Für mich persönlich kommt die Nutzung insbesondere wegen der zwingenden Freigabe des Adressbuches nicht in Frage, aber auch ich sehe den spannenden Ansatz auch für die Erwachsenenbildung.
    Vielleicht könnte die Idee des „ständigen Audio-BarCamp“ auf einer DSGVO-konformen Plattform ohne Ausgrenzung angedacht werden – vielleicht angelehnt an freie und offene Community-Strukturen ähnlich wie bei Mastodon?!

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